Not your keys not your coins im Lichte von Beschlagnahme | Einziehung von Kryptowährungen

06.02.2022

Im ersten Teil ging es um die Einziehung von Kryptowährungen bei Geldwäscheverdacht. Der zweite Teil behandelt die praktischen Fragen bei der Beschlagnahme und Einziehung von Kryptowährungen.

 

Stehen Sie im Verdacht eine Straftat begangen zu haben, aus der Sie Tatbeute, beispielsweise in Form von Kryptowährungen, erlangt haben, stehen der Staatsanwaltschaft weitreichende Befugnisse zu.

Bereits im Ermittlungsverfahren – also vor einer endgültigen Verurteilung – gilt es aus Sicht der Behörden, das infragestehende Vermögen dergestalt „einzufrieren“, dass der Betroffene dieses bis zum Abschluss des Hauptverfahrens nicht etwa beiseiteschaffen kann, um beispielsweise nach einigen Jahren wieder Zugriff darauf zu haben. 

In diesem Zuge können die Behörden durch den Verweis der §§ 111b Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) auf die §§ 102 ff. StPO unter anderem Ihre Wohnung und elektronischen Medien durchsuchen und auch offene Entschlüsselungssoftware nutzen, um ein in Frage stehendes Kryptovermögen mit Blick auf die nachfolgende Einziehung zu sichern. Bei der auf „die analoge Welt“ ausgerichteten StPO gestaltet sich dies im Falle von Kryptowährungen jedoch auf mehreren Ebenen problematisch, von denen einige Aspekte grob skizziert werden sollen.

 

Not your keys not your coins (am Beispiel von Bitcoin)

Die Frage, wem welche Bitcoins gehören, lässt sich im Ergebnis lediglich auf der Ebene von Faktizität beantworten – bei diesen gibt es keine rechtliche, sondern nur eine technisch-faktisch bedingte „Legitimation“ und Verfügungsgewalt. Anders gewendet: bestimmte Bitcoins „gehören“ der Person oder Personengruppe, welche die dafür notwendige Kombination von private und public keys kennt.

Die „klassische“ Form der Beschlagnahme durch Inbesitznahme eines Gegenstands durch die Behörden ist vor diesem Hintergrund also kaum hilfreich. 

Diese Erfahrung hat auch die Staatsanwaltschaft Koblenz gemacht, welche die hardware wallet eines Darknet-Drogenmarktplatzbetreibers („Chemical Love“-Prozess) beschlagnahmte, den privaten Schlüssel aber nicht kannte. Da es sich bei einer hardware wallet im Ergebnis um nichts anderes als ein gesichertes, elektronisches Speichermedium handelt, auf die damit zusammenhängenden Token aber keineswegs nur über diese wallet zugegriffen werden kann, konnte die Staatsanwaltschaft die bald folgenden Zugriffe Dritter (welche die private keys kannten) nicht verhindern, sodass die „auf der wallet liegenden“  Bitcoins endgültig aus der Zugriffssphäre der Staatsanwaltschaft entfernt wurden.

Eine Möglichkeit zur zumindest teilweisen Entschärfung dieser Problematik ist allerdings die Anordnung einer Wertersatzeinziehung gem. § 73c S.1 Strafgesetzbuch (StGB) und damit einhergehendem Vermögensarrest gem. § 111e ff. StPO. Sofern man sich gerichtlich nicht für den Weg der (pauschalen) Wertersatzeinziehung und damit einhergehendem Vermögensarrest entscheidet, muss behördlich sichergestellt werden, dass die beschlagnahmten Coins zügig auf eine behördliche wallet übertragen werden.

Zuletzt zu beachten ist die Möglichkeit der Notveräußerung nach § 111p StPO. Im Falle einer erheblichen Wertminderung, welche bei den für ihre Volatilität bekannten Kryptowährungen besondere praktische Relevanz entfalten dürfte, ergibt sich für das Gericht die Möglichkeit, die Coins zu veräußern.

 

Memory wallet und die Selbstbelastungsfreiheit

Wenn die zuständige Behörde nicht durch eigene Maßnahmen an die Schlüssel herankommen, stellt sich die Frage, ob und inwiefern der Betroffene dazu gezwungen werden kann, an der Beschlagnahme bzw. Vollstreckung mitzuwirken und die Schlüssel, welche er sich gegebenenfalls via memory wallet schlicht gemerkt hat, herauszugeben. 

Jedenfalls für die Dauer des Ermittlungsverfahrens scheint Einigkeit zu bestehen, dass eine Verpflichtung des Einziehungsadressaten zur Benennung der Schlüssel einen Verstoß gegen die Selbstbelastungsfreiheit darstellen würde.  Die Staatsanwaltschaft muss also versuchen, etwaige Sicherheitsmechanismen ohne Mitwirkung des Täters zu durchbrechen und an die Schlüssel heranzukommen.

Ungeklärt ist dies demgegenüber für den Bereich des Vollstreckungsverfahrens – bei einer bereits rechtskräftigen Verurteilung. Hier wird zum Teil im Hinblick auf einen Strafklageverbrauch vertreten, dass keine Selbstbelastung mehr eintreten könnte und die Staatsanwaltschaft so Zwangsgeld und Zwangshaft verhängen könnte. Ob dies in dieser Pauschalität richtig ist, hat noch keine allumfassende oder höchstrichterliche Bestätigung und Diskussion erfahren. 

In Angesicht der Vielzahl offener und ungeklärter Fragen in diesem Bereich, sind Betroffene gut damit beraten, sich an einen Spezialisten zu wenden, der sowohl in Fragen des Straf- und Strafprozessrechts als auch in Fragen rund um die Funktionsweise von Kryptowährungen versiert ist.

Für entsprechende und darüber hinausgehende Rückfragen und die frühzeitige Risikominimierung in Fragen rund um das Thema Kryptowährungen und NFTs steht Ihnen unsere Kanzlei gerne zur Verfügung.

 

von Rechtsanwalt Martin Figatowski, LL.M. (Tax) und stud. iur. Chingiz Machitadze




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