Zugangsnachweis bei Kündigungen: Einwurf-Einschreiben reicht nicht aus – Entscheidungsbesprechung des LAG Baden-Württemberg
28.05.2024
Einleitung
Die Wirksamkeit einer Kündigung im Arbeitsrecht hängt wesentlich vom Zugang der Kündigungserklärung beim Arbeitnehmer ab. Die Beweislast für den Zugang trägt dabei der Kündigende. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg vom 12. Dezember 2023 (Aktenzeichen 15 Sa 20/23) beleuchtet die Anforderungen an den Zugangsnachweis bei der Zustellung einer Kündigung per Einwurf-Einschreiben. Dieses Urteil hat erhebliche praktische Bedeutung für Arbeitgeber, die sicherstellen müssen, dass ihre Kündigungen den Adressaten rechtswirksam erreichen.
Sachverhalt und Verfahrensgang
In dem zugrundeliegenden Fall hatte eine Gemeinschaftspraxis für Augenärzte einer medizinischen Fachangestellten außerordentlich und hilfsweise ordentlich gekündigt, weil diese verdächtigt wurde, eine Patientenakte manipuliert zu haben. Die Kündigung wurde während der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin ausgesprochen und wiederholt, nachdem die Arbeitnehmerin entbunden hatte. Das Kündigungsschreiben wurde per Einwurf-Einschreiben versandt, und der Zugang wurde durch den Einlieferungsbeleg und den Sendestatus der Deutschen Post AG nachgewiesen. Die Arbeitnehmerin bestritt jedoch den Zugang der Kündigung. Das Arbeitsgericht stellte zunächst die Wirksamkeit der zweiten Kündigung fest, jedoch hob das LAG Baden-Württemberg diese Entscheidung auf und erklärte erst die dritte ordentliche Kündigung für wirksam.
Rechtliche Würdigung
Das LAG Baden-Württemberg stellte klar, dass der Einlieferungsbeleg und der Sendungsstatus der Deutschen Post AG allein keinen ausreichenden Beweis für den Zugang der Kündigung darstellen. Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Zugang einer Willenserklärung Voraussetzung für ihre Wirksamkeit. Im vorliegenden Fall genügte der Einlieferungsbeleg lediglich als Nachweis, dass die Gemeinschaftspraxis das Schreiben bei der Post aufgegeben hatte. Der Sendestatus als maschinelles Verfahren ohne menschliche Beteiligung reiche nicht aus, um den tatsächlichen Zugang der Kündigung beim Empfänger zu belegen. Es fehlte insbesondere an einem Auslieferungsbeleg, der dokumentiert, welche Zustellerin oder welcher Zusteller das Schreiben zu welchem Zeitpunkt in den Hausbriefkasten eingeworfen hat.
Beweislast und Zugangsnachweis
Das LAG Baden-Württemberg führte aus, dass der Absender innerhalb von 15 Monaten nach der Aufgabe des Einwurfeinschreibens bei der Deutschen Post einen Auslieferungsbeleg beantragen könne, der die Zustellung belegt. Dieser Beleg zeige, welcher Zusteller das Schreiben wann zugestellt habe und könne als Zeuge benannt werden. Im vorliegenden Fall blieb die Gemeinschaftspraxis jedoch den Nachweis eines solchen Auslieferungsbelegs schuldig. Somit konnte sie den Zugang der Kündigung nicht hinreichend beweisen.
Praktische Konsequenzen für die Zustellung von Kündigungen
Dieses Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Zustellung von Kündigungen im Arbeitsrecht. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass sie den Zugang einer Kündigung rechtssicher nachweisen können. Der Einlieferungsbeleg und der Sendungsstatus reichen hierfür nicht aus. Arbeitgeber sollten daher entweder einen Auslieferungsbeleg bei der Post anfordern oder die Zustellung durch einen Boten vornehmen, der als Zeuge auftreten kann.
Schlussfolgerung
Das Urteil des LAG Baden-Württemberg verdeutlicht die strengen Anforderungen an den Nachweis des Zugangs einer Kündigung per Einwurf-Einschreiben. Arbeitgeber sollten sich dieser Anforderungen bewusst sein und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um den Zugang rechtssicher nachweisen zu können. Im Zweifelsfall ist es ratsam, arbeitsrechtliche Unterstützung einzuholen, um sicherzustellen, dass Kündigungen wirksam zugestellt werden und nicht an formalen Beweisanforderungen scheitern.
Gerne beraten wir Sie zu diesem Rechtskreis.
Von Rechtsanwalt Martin Figatowski, LL.M. (Tax)
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