Steuerliche Probleme in Zusammenhang mit Decentralized Finance (DeFi)
19.10.2020
Decentralized Finance oder "DeFi" ist derzeit der neue Blockchain-Hype.
Vereinfach gesagt geht es darum, dass Besitzer von Kryptowährungen, wie z.B. Ether, ihre Coins an andere Nutzer von Plattformen verleihen können (sog. Lending). Im Gegenzug erhalten Sie Zinsen in Höhe von 6 % bis teilweise über 25 %. Von diesen Zinsen können normale Anleger nur träumen, weswegen DeFi derzeit eine sehr hohe Attention erhält.
Die Erklärung für solch hohe Zinsen ist neben dem allgemeinen Risiko, dass insbesondere die Mittelsmänner zwischen dem Entleiher und dem Verleiher ausgeschaltet und dadurch Kosten gesenkt werden. Damit hat "DeFi" das Potential, die Finanzbranche zu disruptieren.
Dass dabei das Finanzamt auch das Lending auf dem Schirm haben könnte, dürfte einige Anleger überraschen. Das Interesse der Finanzämter kommt daher, dass das Lending steuerlich zu einer Verlängerung der Haltefrist nach § 23 EStG auf bis zu 10 Jahre und damit potentiell zu mehr Steuersubstrat führen könnte.
Bekannt dürfte noch sein, dass private Veräußerungsgeschäfte mit Kryptowährungen zu besteuern sind, wenn die Kryptowährung innerhalb einer (Halte-) Frist von einem Jahr seit der Anschaffung wieder veräußert wird (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG).
Weniger bekannt ist jedoch, dass die Nutzung von Kryptowährungen als Einkunftsquelle, wie z.B. beim Lending, zu einer Verlängerung der Haltefrist auf 10 Jahre führt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG). Diese Rechtsfolge gilt zur Überraschung vieler Anleger auch, wenn die Kryptowährungen erstmals nach Ablauf der Jahresfrist verliehen werden.
Beispiel (ohne Berücksichtigung von Veräußerungs- und Transaktionskosten)
A erwirbt 0,5 ETH für 150 Euro am 01.01.2020. Am 30.03.2021 ist der Wert der 0,5 ETH auf 500 Euro angestiegen. Anstatt (steuerfrei) zu verkaufen, entschließt sich A die 0,5 ETH über die Wallet MetaMask zu "enablen" und erzielt dadurch 25 % Zinsen.
Am 01.06.2021 veräußert A die 0,5 ETH schließlich für 550 Euro.
Lösung:
Die Veräußerung der 0,5 ETH am 01.06.2021 erfolgt zwar nach Ablauf eines Jahres seit der Anschaffung. Allerdings wurden die 0,5 ETH nach der Anschaffung als Einkunftsquelle genutzt. Dadurch dürfte sich nach Auffassung der Finanzverwaltung die Haltefrist auf 10 Jahre verlängert haben. Dies hat zur Folge, dass A auf den Veräußerungsgewinn von 400 Euro (Veräußerungspreis: 550 Euro - Anschaffungskosten: 150 Euro) grundsätzlich Einkommensteuer entrichten muss.
Das Beispiel zeigt, dass Trader die steuerlichen Implikationen beim Lending nicht aus dem Auge lassen sollten.
von Martin Figatowski, LL.M. (Tax)
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